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The Illusionist - Nichts ist wie es scheint
Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
4,0
stark
The Illusionist - Nichts ist wie es scheint
Von Carsten Baumgardt
In einer Zeit, in der Gigantismus und Gleichmacherei in Hollywood infolge stetig steigender Budgets ausgeprägter sind, als je zuvor und gar wie eine Art Religion zelebriert werden, ist es eine Wohltat, wenn sich einmal ein Regisseur spektakulär Unspektakuläres traut. Neil Burgers altmodisches Historien-Melodram „The Illusionist“ versprüht einen hypnotischen Hauch von Magie, die unaufdringlich, aber doch spürbar daherkommt, so dass die Wirkung der Love Story sich wunderbar entfalten kann.
Um 1900: In ihrer Kindheit wurden Eisenheim (Aaron Johnson) und die zauberhafte Sophie (Eleanor Tomlinson) durch ihre unterschiedliche Standeszugehörigkeit getrennt. Während Herzogin Sophie (jetzt: Jessica Biel) in den hohen Kreisen der Gesellschaft verkehrt und kurz davor ist, Österreichs Kronprinzen Leopold (Rufus Sewell) zu heiraten, legt Eisenheim (jetzt: Edward Norton) die ganze Energie in seine Passion. Er hat eine Gabe, die ihn als Zauberer berühmt gemacht hat. Seine außergewöhnlichen Shows sind eine Sensation im pittoresken Wien, auch der Kronprinz wird neugierig und sieht sich eine Vorstellung an. Zwischen den beiden starken Persönlichkeiten entwickelt sich eine sorgsam gepflegte Feindschaft, allerdings sitzt Leopold am längeren Hebel der Macht. Er setzt seinen Chefinspektor Uhl (Paul Giamatti) darauf an, Eisenheim als Scharlatan zu überführen. Doch das unerwartete Wiedersehen mit seiner Kindheitsliebe spitzt die Situation erst recht zu. Die Feinde kämpfen plötzlich um die Liebe derselben Frau – mit unrühmlichem Ausgang. Es geschieht ein Unglück...
„The Illusionist“ entwickelte sich in den USA in der Schnittmenge zwischen Arthouse und Mainstream zu einem kleinen, aber feinen Sleeperhit, der bei den Oscars ein Wörtchen mitreden sollte. Zwei Namen: Edward Norton und Paul Giamatti. Ein Ereignis: ihr Schauspiel. Norton ist seit der Oscarnominierung für sein Kinodebüt „Zwielicht“ (1996) in den Reihen der großen Mimen etabliert, Giamatti brauchte dazu wesentlich länger, galt Jahrzehnte lang als chronisch unterschätzt, bis er in American Splendor aufhorchen ließ und mit dem Indie-Meisterwerk Sideways den großen Durchbruch schaffte. Das Außergewöhnliche an ihrem schauspielerischen Leinwandduell: In „The Illusionist“ zählen einzig und allein die leisen Töne, die stillen Momente, das Lesen zwischen den Zeilen. Beide agieren mit unglaublicher Präzision und Charisma, Norton gibt seinem Charakter eine kühle Aura von Magie. Und doch ist unter dieser ruhigen Oberfläche unbändiges Feuer zu spüren, das Eisenheim aus seiner Liebe zu Sophie bezieht und ihn antreibt, den ungleichen Kampf nicht aufzugeben.
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Giamatti ist mehr unfreiwilliger Gegenspieler, er hegt offensichtliche Sympathien für den Mann, den er aus dem Verkehr ziehen soll... doch Pflicht ist Pflicht. Auch Giamatti spielt mit reiner Präsenz groß auf, nebenbei verströmt er diese kleinen Anflüge von leiser Melancholie, die er so gut verkörpern kann, wie kaum ein anderer. Hinter dem famosen Duo wird die Luft naturgemäß dünner. Rufus Sewell (Dark City, Ritter aus Leidenschaft), noch heute unterschätzt, ist als Bösewicht grundsolide besetzt und - Überraschung - Jessica Biel (Texas Chainsaw Massacre, Stealth) meistert ihre erste größere ernsthafte Rolle ohne Probleme.
Regisseur Burger („Interview With The Assassin“, 2002) lässt sein historisches Charakterdrama nach einer 21-seitigen Kurzgeschichte („Eisenheim The Illusionist“) von Pulitzer-Preisträger Steven Millhauser nahtlos mit einer klassischen Love Story der alten Schule verschmelzen. Die Optik (gefilmt in Prag) ist angemessen edel, das Setting trotz des moderaten Budgets stilecht, der Score zeitgerecht und das Tempo genretypisch gemäßigt – perfektes Handwerk. Im Kern bietet der Film eine simple Story um Motive wie Mord, Verrat, Intrige und Liebe, doch auf den Nebenpfaden stößt der Zuschauer auf einen doppelten Boden, der „The Illusionist“ Größe verleiht und als Period Drama glänzen lässt. Die Zaubertricks, die der damaligen Zeit entstammen, bilden den Hintergrund für die eigentliche Geschichte und fügen sich wunderbar unaufdringlich in das Gesamtkonzept ein. Nicht nur Eisenheims Show dreht sich um Wahrnehmung und Schwindel, es ist das unterschwellige Thema des ganzen Films.
Burger liefert präzises, emotionales, düsteres Epochenkino, das mit geschliffenen, wie scharfzüngigen Dialogen aufwarten kann und für reine Actionfans sicher die Hölle auf Erden sein würde (es wird wohl kaum ein hartgesottener Actionanhänger in die Verlegenheit kommen, diesen Film zu sehen). Und doch macht das Werk unheimlich viel Spaß, strahlt diesen trotz steifer Fassade locker und leicht aus. „The Illusionist“ hält die Genrespur, bewahrt sich immer seine kleinen Geheimnisse und zeichnet sich durch eine physische Spannung aus... und ist dabei hoffnungslos romantisch. Umgibt Eisenheim tatsächlich die Magie oder ist alles eine Illusion, wie der Titel glauben machen will? Die Antwort darauf gibt es spät, sehr spät. Vielleicht gar erst im letzten Moment...
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